Rind und Wir - Dezember 2023

37 November 2023 INFOS aus BRS und vit Spastische Parese und steile Beine: Definitiv zwei unterschiedliche Merkmale Das Merkmal Spastische Parese wird immer wieder mit dem Merkmal Steiles Hinterbein vermischt. Tatsächlich aber sind Spastische Parese und ein steiler Hinterbeinwinkel zwei getrennt voneinander zu betrachtende Merkmale und ein steileres Hinterbein sogar nach wie vor ein Indiz für eine längere Nutzungsdauer. Hier die neuesten Erkenntnisse zu Spastischer Parese versus Steiles Hinterbein. Wie erkenne ich eine Spastische Parese? Bei der Bovinen Spastischen Parese (BSP) handelt es sich um eine fortschreitende neuromuskuläre Erkrankung der hinteren Gliedmaßen. Die Krankheit wurde 1922 erstmals bei dem Friesischen Bullen Elso II dokumentiert und deshalb auch als „Elso-Hacke“ bezeichnet. Erkrankte Tiere zeigen eine fortschreitende Überstreckung eines oder beider Hinterbeine (siehe rechts). Oft berührt das erkrankte Bein nur noch mit der Klauenspitze den Boden. Bei fortschreitender Erkrankung ist es auch möglich, dass das erkrankte Bein in der Luft schwebt (siehe unten). Betroffenen Tieren ist es nicht mehr möglich, Sprung- und/oder Kniegelenk zu beugen. Dadurch entsteht ein Gangbild, das einem schwingendem Pendel oder Zinnsoldaten ähnelt. An BSP erkrankte Tiere liegen zudem viel, was zu kürzeren Aufenthalten am Futtertisch und damit geringerer Futteraufnahme führt. Das spiegelt sich auch in einer unterdurchschnittlichen Körperkondition wider. Warum Zusammenhang zu steilen Beinen? Durch das klinische Bild des gestreckten, steifen Beins und den Klassifizierungsnoten wird BSP oft mit steilen Beinen gleichgesetzt. Diese Annahme konnte in der Vergangenheit nicht bewiesen werden. Der Grund, warum erkrankte Tiere niedrige Noten für Hinterbeinwinkelung und somit ein steiles Bein attestiert bekommen, liegt in der Art und Weise der Bewertung. Klassifizierer sind dazu angehalten, das schlechtere Bein als Bewertungsgrundlage zu nutzen, welches im Fall von BSP-Tieren das erkrankte ist. Dieses ist aufgrund der Erkrankung gestreckt und wirkt steiler, das gesunde Bein kann durchaus normal gewinkelt sein. Eine Kuh mit steilen Hinterbeinen ist nicht automatisch spastisch und hat vermutlich auch kein höheres Risko an BSP zu erkranken. Steilere Hinterbeine gleich längere Nutzungsdauer Auswertungen zu der tatsächlichen Nutzungsdauer in Verbindung mit den genomischen Zuchtwerten für Hinterbeinwinkelung zeigen die niedrigsten Abgangsraten bei Kühen mit steileren Beinen. Kühe und Vererber mit niedrigen Zuchtwerten für Hinterbeinwinkel aus der Zucht auszuschließen, ergibt also keinen Sinn. Interessanterweise scheint die Mobilität und damit verbunden die Fressdauer von Tieren mit steileren Hinterbeinen keineswegs beeinträchtigt zu sein, sodass bei Tieren mit steileren Beinen die Körperkondition am höchsten ausfällt. Trotzdem sollte die Zucht auch weiterhin auf Extreme verzichten, also weder auf extrem steile noch auf extrem gewinkelte Hinterbeine züchten. Für einen idealen Bewegungsablauf ist die Hinterbeinwinkelung als Optimalmerkmal im Notenbereich zwischen 4 und 5 zu betrachten. Julia Hinken, SYNETICS Holstein-Kuh mit Spastischer Parese am linken Hinterbein. Kühe mit spastischer Parese setzen das betroffene Bein kaum auf und beugen es beim Gehen nicht. ©Dorothee Warder ©Dorothee Warder Auch Sie können dazu beitragen, die Datengrundlage zu erweitern und bei der Aufklärung zu helfen: Melden Sie Tiere mit Spastischer Parese, auch Kälber und Jungtiere, Ihrer Zuchtorganisation oder direkt über NetRind (unter MI/Missbildungen) bzw. über Ihr für KuhVision genutztes Herdenmanagement-Programm mit der entsprechenden Diagnose „Spastische Parese“. Weitere Infos, Bilder und Videos

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