Rind und Wir - August 2023

Abbildung: Genomische Zuchtwerte für klinische Mastitis für drei Bullen (Sire A, Sire B, Sire C) in Abhängigkeit des Temperatur-Luftfeuchte-Index (THI) Neues aus der Wissenschaft 63 Merkmale und die Klimadaten erfasst werden. Klimastalldatenlogger ermöglichen die Messungen von Temperatur und Luftfeuchte in nur 1-minütigen Abständen, welche dann im Idealfall mit jeder Melkung einer Kuh im Melkroboter zusammengespielt werden. Weiterführend soll nicht nur die Reaktion der Milchzuchtwerte auf Klima analysiert werden, sondern auch weitere funktionale Merkmale wie Zellzahl, Merkmale der weiblichen Fruchtbarkeit und auch Gesundheitsmerkmale, für welche insbesondere in den Testherden der RinderAllianz eine hohe Datenqualität gegeben ist. Da für verschiedene Merkmale unterschiedliche Zuchtwertreaktionen des jeweiligen Tieres zu erwarten sind, müssen final die merkmalsspezifischen Einzelzuchtwerte in einem Gesamtzuchtwert „Hitzetoleranz“ kombiniert werden. Die Abbildung zeigt die genomischen Mastitiszuchtwerte für drei Bullen (Sire A, Sire B und Sire C) auf der THI-Skala. Ich als milchkuhhaltender Betriebsleiter würde den blauen Bullen, also Sire A, auswählen. Dieser Bulle ist robust und hitzetolerant, denn er hat wenig euterkranke Töchter bzw. durchweg hohe Mastitiszuchtwerte über den gesamten Klimabereich hinweg. Sire B funktioniert nur besser als die Vergleichsbullen, wenn „es kalt ist“, und sire C, wenn „es Richtung Hitzestress geht“. Aktuelle praktische Umsetzung, auch im Zuchtgebiet der RinderAllianz Das hier aufgeführte Konzept wurde nun mit Unterstützung der deutschen Rinderzuchtverbände mit den Projektpartner vit Verden (Dr. Johannes Heise, Dr. Reinhard Reents) und der Justus-Liebig-Universität Gießen (Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Sven König) angegangen. Weitere Unterstützung, insbesondere bzgl. der Nutzung bereits aufbereiteter Gesundheitsdaten aus dem RA-Gebiet, leistet die AG von Prof. Dr. Hermann Swalve in Halle. Die Mitarbeiter der AG König sind gegenwärtig dabei, in ausgewählten Betrieben Datenlogger zur Erfassung des Stallklimas, insbesondere in Melkroboterbetrieben, zu installieren. Voraussetzung ist auch, dass die ausgewählten Betriebe ihre Kühe genotypisieren und Gesundheitsdaten erfassen, denn es sollen direkt genomische Zuchtwerte für Hitzetoleranz geschätzt werden. Der Datenumfang der deutschlandweit bereits besuchten Kuh Visionsbetriebe mit Melkroboter umfasst bereits 6.150 Kühe aus 20 Betrieben, welche wertvolle Daten für die ZWS-Hitzetoleranz liefern. Für weitere 4.000 Kühe werden gegenwärtige Vorschlagslisten an Betrieben abgearbeitet. Insgesamt wird somit auf der Basis von 10.000 Kühen aus ca. 30 Projektbetrieben bereits für den ersten Sommer im Jahr 2023 kalkuliert. Im zweiten Sommer kommen dann automatisch weitere frisch abgekalbte Färsen hinzu (+3.000 weitere Färsen bei einer Remontierungsrate von 30 %), so dass eine weltweit einzigartige Datengrundlage für eine ZWS-Hitzetoleranz zur Verfügung steht. Projektpartner vit Verden wird prüfen, ob ähnliche Zuchtwerte für Hitzetoleranz geschätzt werden können, wenn Klimadaten der offiziellen Wetterstationen, die im Internet 20 Jahre rückwirkend abgespeichert sind, verwendet werden. Das würde dann zukünftig den Routineprozess einer Zuchtwertschätzung vereinfachen, da Daten der Stallklimalogger in regelmäßigen ca. 2-monatigen Abständen ausgelesen werden müssen. Dies hat aber eigentlich auch den Vorteil, dass immer ein enger Austausch zwischen den Unimitarbeitern und den Betriebsleitern gegeben ist, denn der Bezug zur und der Austausch vor Ort mit der Praxis darf nicht verloren gehen. Auf alle Fälle wird, wenn alles planmäßig funktioniert, die deutsche Rinderzucht mit der Einführung der Zuchtwertschätzung Hitzetoleranz eine internationale Führungsrolle einnehmen. Am generellen Konzept sollte weitergearbeitet werden: Nicht immer nur darauf fokussieren, noch mehr Merkmale erfassen, sondern die Betriebsumwelt möglichst genau beschreiben, damit man den passenden Bullen für das jeweilige Klima oder die jeweilige Futtersituation zielgerichtet auswählen kann. Sven König Institut für Tierzucht und Haustiergenetik, JLU Gießen

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