Rind und Wir - April 2022

Wenn es immer so wäre, hätte der Züchter keine Sorgen mehr. Doch leider verhält sich die Vererbung nicht nach einfacher Mathematik! Es gibt deutlich schief verteilte Merkmale, bei denen die phänotypischenVeränderungen entweder in die positive oder negative Richtung unterschiedlich stark ausgeprägt sind und/ oder die Veränderungen nicht linear verlaufen, d. h. die Auswirkungen z. B. bei weiterer Entfernung von der Basis 100 schwächer oder stärker werden. Speziell bei den Exterieurmerkmalen ist der Zuchtwert schlecht phänotypisch zu beschreiben. Bei den Linearmerkmalen ist die 100 der Mittelwert der Basis der 4 - 6 Jahre alten Kühe und bedeutet nicht zwingend, dass es sich bei dem Wert von 100 um das Ideal handelt! Warum verändern sich die Zuchtwerte so stark Weiterhin ist für viele nicht klar, warum beispielweise jedes Jahr im April die Zuchtwerte sinken. Sind die Tiere alle schlechter geworden? Will man verhindern, dass die Zuchtwerte zu hoch werden? Die Antwort ist im Grunde simpel: Die Basis der Zuchtwerte (RelativZuchtwert 100) bilden alle 4 - 6 Jahre alten Kühe, das heißt: im Jahr 2022 sind es alle 2016 - 2018 geborenen Tiere. Die Überlegenheit zu den von diesen Kühen erreichten phänotypischen Leistungen ist der aktuelle Zuchtwert. 2021 war die Basis ein Jahr älter. Ändert sich nun bei diesenTieren die Leistung/ein Merkmal, dann wird die Basis angepasst.Wurde in der jüngeren Vergangenheit meist nur 1 Punkt abgezogen, dann hatte sich die Basis kaum verändert. Wenn in diesem Jahr 5 RZG-Punkte abgezogen werden, bedeutet das, dass sich die Basis in einem Jahr sehr stark verbessert hat, was dem hohen Zuchtfortschritt in den vergangenen Jahren geschuldet ist. Warum Besamungsbullen auch Schwächen haben dürfen! Bei der Einzeltieranpaarung wird ein Fehlerausgleich vorgenommen. Die Schwäche (z. B. ansteigendes Becken) kann bei der Anpaarung auf eine Kuh mit stark abfallenden Becken sogar eine Stärke sein. Bei der Auswahl eines Deckbullen, der einer ganzenTiergruppe zugeordnet wird, müsste die Auswahl viel kritischer ausfallen! Bullen mit sehr hohem RZ€-Niveau, in dem bereits ein monetärer Wert errechnet wurde, sollten nicht wegen einzelner unerwünschter Merkmalsausprägungen komplett ausgeschlossen werden, da man damit Zuchtfortschritt verliert. Welche Defizite dabei besonders beachtet werden, ist nicht nur von Land zu Land und von Betrieb zu Betrieb verschieden, Merkmale haben sich auch über die Zeit verändert. So haben sich mit der Verbreitung von Melkrobotern die Anforderungen an die Euter geändert. Die Größe wird bei alten Gebäuden zum Problem. Hingegen sie bei neugebauten Ställen weniger Relevanz hat. Zu streng? Das VIT Verden führte Untersuchungen durch, um zu prüfen, ob die von den Züchtern häufig genannten K.-o.-Merkmale deutlichen Einfluss auf wirtschaftliche Größen haben. Das Merkmal Größe hat in Beziehung zur Nutzungsdauer bis 112 Punkte keinerlei Auswirkungen, erst dann kippt der RZN leicht und erst bei sehr großen Tieren sinkt der RZN deutlich. Der oft zitierte Zusammenhang zwischen Körpertiefe und Stärke mit Platz für Herz und Lunge wird durch eine negative Beziehung widerlegt, d. h. knapp entwickelte Tiere haben eine höhere Nutzungsdauer. Wobei diese Beziehung sehr linear verläuft. Bevor sich die Exterieurliebhaber beschweren: Wir sprechen über diese Merkmale zum Zeitpunkt der linearen Einstufung als Färse zwischen 40. und 120. Laktationstag und nicht von der voll entwickelten Achtkalbskuh! Die hintere Strichplatzierung hat nur sehr wenig Beziehung zur Nutzungsdauer. Erst bei einemWert ab 118 (eng) kippt die Beziehung etwas ins Negative, aber es ist auch dort keine dramatische Korrelation zu sehen. Auch die Strichlänge stand in fast keiner Beziehung zur Nutzungsdauer. Erst bei extrem langen Strichen gab es einen Knick, doch bei sehr kurzen Strichen war kaum ein Zusammenhang zu sehen. Bei den Strichen erwartet man eigentlich eine größereVerbindung, die aber bisher nicht gefunden werden konnte. *) deutlich schief verteilte Merkmale, SG = Ø einer Abweichung nach oben bzw. unten Tabelle 1: Phänotypische Ausprägungen bei RZ 100 und phänotypische Veränderungen bei +/-12 Punkten (Quelle VIT Verden, Beschreibung Zuchtwertschätzung Milchrinder Stand Dezember 2021) 49 Management Vater-ZW 88/112 Töchter-Merkmal Töchter-Phöänotyp (Ø alle Lakt.) realisierte Sg RZS Zellzahl (Tsd./ml) 218* ± 83* RZN Nutzungsdauer (Tage) 1.115 ± 259 RKFit Überlebensrate (%) bis 15 Monate 93,0* ± 4,4* VZr Verzögerungszeit Rinder (Tage) 31,3 ± 6,2 NRr Non-Returnrate Rinder (%) 72,0 ± 5,0 RZ Rastzeit Kühe (Tage) 84,2 ± 9,0 VZk Verzögerungszeit Kühe (Tage) 51,5 ± 10,1 NRr Non-Returnrate Kühe (%) 55,7 ± 6,3 KVd Anteile Schwergeburten (%) 3,5* ± 2,0* TGd Anteil Totgeburten (%) 5,8* ± 2,4* KVm Anteil Schwergeburten (%) 3,2* ± 1,7* TGm Anteil Totgeburten (%) 5,8* ± 3,1* Milchtyp Milchtyp (Punkte) 81,9 ± 0,94 Körper Körper (Punkte) 82,1 ± 1,09 Fundament Fundament (Punke) 80,6 ± 1,01 Euter Euter (Punkte) 81,2 ± 0,98 Größe Größe (cm) 148,4 ± 2,1 RZD Melkbarkeit (kg/min.) 2,42 ± 0,40 RZKälberfit Kälberfitness % 93,0* ± 4,4*

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