Rind und Wir - April 2022

Wie gesund und leistungsfähig eine Kuh später sein wird, entscheidet sich bereits in ihrer Aufzucht. Kälber, die in den ersten Lebenswochen viel zunehmen, sind nicht nur gesünder, sondern bilden auch mehr Zellen in ihren Organen aus. Unsere Untersuchungen haben gezeigt, dass Jungkühe etwa 500 kg mehr Milch (305-Tages-Leistung) gaben, wenn sie als Kalb intensiv aufgezogen wurden. Weitere Vorteile sind eine geringere Abgangswahrscheinlichkeit in der ersten Laktation sowie eine höhere Lebensleistung und Lebenseffizienz. Zucht und Haltung sind zwei wichtige Punkte. Aber wie sieht es mit der Fütterung aus? Gibt es hier neue Erkenntnisse für unsere Leser, um die eigene Ökobilanz zu verbessern? Im Bereich der Proteinversorgung sind Überversorgungssituationen zu vermeiden. Harnstoffgehalte in der Milch – als Indikator für die Proteinversorgung – sollten nicht mehr wie bisher maximal 300 mg/L, sondern 150-220 mg/L betragen. Die bisherigen Empfehlungen für den Rohproteingehalt von Rationen werden unter Berücksichtigung des Umweltschutzes als zu hoch eingeschätzt. Er sollte auf 15,7 % abgesenkt werden. Das entspricht einer Verringerung des Proteinverzehrs um 240 g je Tier und Tag. Damit sinkt die tägliche StickstoffAusscheidung um 9 %. In ähnlicher Weise müssen die Vorgaben zur Phosphorversorgung an den tatsächlichen Bedarf angepasst werden. Immer wieder stehen die Ausscheidungen der Kühe in der Kritik. Ist das berechtigt oder letztendlich doch alles nur „heiße Luft“? Mit hohen Lebensleistungen kann den Forderungen nach reduzierten Umfängen unerwünschter Emissionen wie Methan, Ammoniak oder Lachgas aus der Milchviehhaltung entsprochen werden. Zum einen verringert sich damit die Ausscheidung je Kilogramm Milch, zum anderen aber auch mit der Reduzierung der Reproduktion durch eine längere Nutzung der Kühe die Gesamtausscheidung an Emissionen, da weniger Jungvieh benötigt wird. Dieser Vorteil darf aber nicht mit der Absicht, eine geringere Anzahl an Kälbern zu kompensieren, durch eine Intensivierung der Rindfleischproduktion zunichte gemacht werden. Hier spielt die zukünftige Entwicklung des Rindfleischverzehrs der Konsumenten eine wichtige Rolle. Die Ausscheidungen der Kühe sind zudem wichtiger und hervorragender Wirtschaftsdünger für die Grünlandnutzung und den Ackerbau. Zudem bindet Grünland 1,8 Tonnen CO2 pro Jahr und Hektar. Tatsächlich ist Grasland neben Feuchtgebieten und Mooren der größte Kohlenstoffspeicher. Erst dann folgen Wälder und Ackerland. Somit könnte man Kritikern also den Wind aus den Segeln nehmen. Gibt es noch etwas zum Thema Fütterung anzumerken? Mit steigendem Leistungsniveau muss zukünftig in der Tierernährung noch mehr Wert auf die Transitphase gelegt werden. Obwohl die gemessenen Fresszeiten auch bei Hochleistungskühen mit hohem Futterverzehr mit weniger als sechs Stunden je Tag relativ kurz sind, ergibt sich sowohl aus ethologischen Gegebenheiten als auch der Konstitution der Kühe im geburtsnahen Zeitraum zwingend die Notwendigkeit nach dem entsprechend ausreichenden Fressplatz für die Kühe. Was gilt es, zusammenfassend zu sagen? Die prioritäre Aufgabe der Wissenschaft, der Zuchtverbände, der landwirtschaftlichen Interessensvertretung und der Veterinärbranche besteht darin, im Miteinander mit den Landwirten und durch hohe Transparenz langfristig wieder die Akzeptanz zeitgemäßer landwirtschaftlicher Produktionssysteme zu erhöhen und das Einkommen der Landwirte zu sichern. Ein solches Ziel kann nur durch hohe Interdisziplinarität erreicht werden. Dafür stehen wir mit unserem Fachwissen und Engagement. Für die Politik gilt, entsprechende Rahmenbedingungen zu gewährleisten, die eine planbare Umsetzung auch längerfristig ermöglichen. Das Interview führte B. Heymann Anzahl einbezogener Kühe Kuh5 Kuh3 Differenz Anzahl Kälber 5 3 -2 Milchmenge je Kuh und Laktationstag (kg) 27.701 33 (ZKZ 340-370 d) 32 (ZKZ >460 d) -1 Milchmenge in 5 Jahren (kg) 53.757 (1.629*33) 55.264 (1.727*32) + 1.507 Krankheit p.p. (Diagnosen je Kuh und Laktation Tag 0-30) 184.483 5,36 Krankheit p.p. (Tag 0-30) in 5 Jahren 5 x 5,36 Behandlungen =26,8 3 x 5,36 =16,1 - 10,7 Behandlungen je Kuh Abgangsrisiko 2 x reduziert Tabelle: Kalkulation der Effizienz der Milchproduktion bei differenzierter Laktationsdauer in 5 Jahren (Quelle: LFA MV, 2021) Neues aus der Wissenschaft 45 Weitere Aspekte wie das Fütterungsmanagement und die Rationsgestaltung, Controlling-Instrumente u. v. m. werden in dem Positionspapier ausführlich behandelt. Dieses kann auf der Webseite der DGfZ heruntergeladen oder in der Geschäftsstelle angefordert werden.

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