Rind und Wir - April 2022

RINDUNDWIR April 2022 22 werden sollte und unter Zuhilfenahme einer computergestützten Anpaarungsplanung die passenden Bullen für jeden einzelnen Betrieb und jede einzelne Kuh ausgewählt werden sollten. Für die Züchtung auf Hornlosigkeit werden im Folgenden vier Strategien diskutiert, denen alle gemeinsam ist, dass die obigen Grundsätze beachtet werden. Strategie A – langsam aber dafür werden alle Genvarianten erhalten Strategie A ist die klassische, lehrbuchmäßige Introgression (Hereinname) eines einzelnen wichtigen Gens bzw. seiner Variante in eine existierende, überlegende Population, in der diese Variante bislang nicht oder kaum vorkommt (nach Windig und Eggen, 2009). Angewendet auf das Problem der Hornloszucht bedeutet dies: Im ersten Schritt werden so viele heterozygote Pp-Tiere wie möglich durch Anpaarung von PP-Bullen an gehörnte pp-Top-Kühe erzeugt. Danach wird wieder mit pp-Bullen angepaart, die immer noch wieder auftretenden Pp-Tiere werden aber weiterverfolgt und nach einigen Generationen wird ausschließlich mit diesen als Bullen und Bullenmütter weitergezüchtet. In der Konsequenz entstehen dann vermehrt PP- und Pp-Tiere, wobei aber auch noch gehörnte pp-Tiere auftreten, aber sich in der Frequenz verringern. Dieses Zuchtprogramm ist bezüglich der Umzüchtung auf PP relativ langsam, es stellt aber sicher, dass nahezu alle erwünschten Genvarianten anderer Genorte der ursprünglich gehörnten Population und damit ihre Eigenschaften erhalten bleiben. Strategie B – aus der Sicht von Zuchtorganisationen Strategie B zeigt die sich aktuell darstellende Situation aus der Sicht der Zuchtorganisation. PP- und Pp-Bullen wurden vermehrt bei Top-Bullenmüttern angepaart, es entstanden zunächst Pp-, dann auch PP-Bullen, die immer mehr in den breiten Einsatz gehen. Daneben werden aber, und in vielen Betrieben sogar ausschließlich, pp-Bullen weiter eingesetzt und sollten auch angeboten werden. Die Verankerung mindestens eines P-Allels in wichtigen Kuhfamilien bringt mehr und mehr Top PP-Bullen und PP-Bullenmütter hervor, die immer mehr auch eine breite Wirkung haben, so dass das gesamte Bullenangebot vermehrt auch P-Allele enthält. Strategie C – schnelle Umzüchtung auf hornlos Strategie C beschreibt die mögliche Strategie eines Betriebes, der möglichst schnell auf Hornlosigkeit umstellen möchte, aber sich der Gefahren einer zu raschen Umstellung bewusst ist. TopPP oder Pp-Bullen werden stark eingesetzt, ein Teil der Herde wird aber weiter mit gehörnten Bullen angepaart. Für verbleibende pp-Kühe in den kommenden Generationen werden als Paarungspartner PP- oder Pp-Bullen ausgewählt. Für Pp-Kühe werden zur Anpaarung überwiegend PP- und Pp-Bullen verwendet, allerdings nicht ausschließlich. Auch gehörnte pp-Bullen kommen weiterhin zum Einsatz, ihre Verwendung wird immer weiter heruntergefahren und steht im Einklang mit dem sich immer weiter verbessernden Angebot von Hornlosbullen. Der Expertentipp  Nie das Zuchtziel aus den Augen verlieren, nach RZG/RZ€ züchten  Genomische Zuchtwerte aus Herdentypisierung/Kuhvision für die innerbetriebliche Selektion nutzen  Computergestützte Anpaarungsplanung verwenden  Sich an Strategie C orientieren, dabei kann der Schwerpunkt der Züchtung (schnell = mehr hornlose Bullen einsetzen/etwas langsamer = näher an der derzeitigen überwiegend gehörnten Population bleiben) durch die Anteile einzusetzender gehörnter Bullen frei gewählt werden  Sich nicht irremachen lassen, eine „gemischte“ Herde ist eine Chance, keine Schande Strategie D – praktiziert auf der Hickorymea Farm In einer Betriebsreportage der Holstein World im Jahr 2006 hat die JohnsonFamilie von der Hickorymea Farm ihre Zuchtstrategie (Strategie D) so beschrieben: Paare die hornlose Kuh an den gehörnten Top-Bullen an, paare die gehörnte Top-Kuh mit einemHornlos-Bullen an, aber führe nie eine Anpaarung gehörnt x gehörnt durch. Auch diese Strategie zeigt, dass es selbst den Top-HornlosZüchtern nicht darum geht, schnell eine rein hornlose Herde zu haben. Es gilt immer, einen engen Anschluss an die nach wie vor überwiegend gehörnte internationale Holstein-Population zu halten. Der Unterschied zur Strategie C ist lediglich graduell. Schlussfolgerungen Die Zucht auf Hornlosigkeit sollte nicht zur Glaubensfrage gemacht werden. Dies betrifft einerseits die Frage, ob nun Kühe grundsätzlich gehörnt oder hornlos sein sollten. Die Geschichte der Domestikation und der Züchtung von Rindern zeigt, dass es hornlose Tiere immer gegeben hat. Man sollte sich auch vor Augen führen, dass hornlose Rinder auch eine Frage der geografischen Region sind. Wenn man einen schottischen Angus-Züchter fragen würde, ob Rinder gehörnt oder hornlos sein sollten, dann fällt die Antwort wohl eindeutig aus, er selbst züchtet hornlose Angus-Rinder, sein Vater und sein Großvater, wie auch viele Generationen davor, haben auch ausschließlich hornlos gezüchtet. Ein zweiter Aspekt, weshalb Hornloszucht keine Glaubensfrage sein sollte, ist, dass das übergeordnete Ziel immer sein sollte, funktionale, gesunde Kühe mit ökonomisch sinnvoller Milchleistung zu haben. Diesem Ziel muss alles andere untergeordnet sein und dann ist es auch klar, dass es über einen vergleichsweise langen Zeitraum noch immer gehörnte Tiere geben sollte, wenn sie dem Zuchtziel entsprechen. Die funktionale, gesunde und hochleistende Kuh steht im Vordergrund. Und so sollte es auch sein! Prof. Dr. Hermann Swalve Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

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